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Abenteuer für die Inseljugend

Special Olympics Athlet Rony
Special Olympics Athlet Rony

Wie sich die Leichtathletiktrainingsgruppe der Karibik- insel Guadeloupe auf die Special Olympic World Games vorbereitet

Special Olympics Athlet Rony
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Special Olympics Athlet Rony

Berlin, 23.02.2023

58 Kinder und Jugendliche im Alter von sechs bis 20 Jahren leben im Institut Médico-Educatifs (IME) Mayolette auf der kleinen Karibikinsel Marie-Galante. Fünf von ihnen nehmen an den Special Olympic World Games in Berlin teil.

Rony Ceron ist einer der fünf. Der muskulöse und groß gewachsene Athlet hat sich auf die Kurzstre- cken der Leichtathletik spezialisiert. Zum ersten Mal wird er eine so lange Reise wie die nach Berlin antreten. Da ist er schon etwas aufgeregt. Seine Mitbewohner und Betreuer sind vor allem stolz. Auf ihn und die vier anderen, die die gesamte Einrichtung bei einem solch großen Event wie den Special Olympics World Games vertreten werden.

Man muss tief in den tropischen Regenwald hineinfahren, um zum IME zu gelangen. Wenn man ins Innere fährt, ist man schnell von kleinen Anhöhen umgeben, auf denen Bananenstauden, Mango- bäume und Palmen dicht an dicht wachsen.

Das IME, das aus einer Schule und medizinischen Einrichtungen besteht, ist auf dem Gelände einer früheren Schule eingerichtet. Es enthält Klassenräume und Wohnräume. Einige der Gebäude sind kleinere Bungalows die malerisch inmitten des Grüns verteilt sind. „Ich wollte schon immer gern an genau diesem Ort arbeiten. Dass ich das IME mitaufbauen durfte und jetzt leite, ist für mich wie ein Traum“, sagt Nadine Pelage, die Direktorin der Einrichtung.

58 Kinder und Jugendliche leben hier, Plätze gibt es für 65. Etwa die Hälfte der Kinder kommt von Marie-Galante selbst, die andere Hälfte von der großen Insel Guadeloupe. Das ist zuweilen eine Herausforderung. Denn jeden Freitag fahren sie mit der Fähre eine Stunde von Marie-Galante nach Guadeloupe und jeden Montag früh steigen sie erneut in die Fähre, um nach Marie-Galante zu kommen. „Für Rony bedeutet das, dass er jeden Montag um fünf Uhr früh aufstehen muss, denn seine Familie wohnt weit entfernt von der Hafenstadt Point-à-Pitre, in der die Fähre startet“, erklärt Lucien Lyncee, Sportlehrer und Trainer von Rony.

Rony ist an dem Montagmittag, an dem wir ihn in Mayolette besuchen, noch etwas müde von der Reise. „Weil es vielen so geht und die Überfahrt je nach Wetter anstrengend sein kann, gibt es je- den Montag für alle auch nur ein reduziertes Programm“, erläutert Lyncee.

Man sieht Ronys Mitbewohner in der Küche ein paar Sachen einräumen. „Ich werde nachher noch in die Wäscherei gehen und mich um die Wäsche kümmern“, erzählt Rony. Am Nachmittag stehen vor allem künstlerische Aktivitäten an, Tanz und Theaterspiel zum Beispiel .

Rony hat für sich den Sport entdeckt. „Geschwindigkeit macht mir Freude“, erzählt er, und strahlt dabei versonnen. An einigen Wettkämpfen auf der Insel selbst und auch auf Guadeloupe hat er schon teilgenommen. Eine Reise wie die nach Berlin ist aber neu für ihn. „Ich fliege dann zum ersten Mal in meinem Leben“, sagt der 1,90 Meter große Athlet mit einem schüchternen Lächeln Trotz sei- ner beeindruckenden physischen Gestalt wirkt Rony sehr sanft und zurückhaltend. „Er war früher

noch viel scheuer. Am Anfang brachte man kaum ein Wort aus ihm heraus. Inzwischen aber kann er sich gut ausdrücken“, erzählt Lyncee.

Für diese Entwicklung macht Lyncee auch den Sport, das Training und die vielen gemeinsamen Er- lebnisse verantwortlich. „Ich habe viel daran gearbeitet, dass er ein Verständnis für seine Kräfte hat, dass er sie beherrschen und sich selbst beherrschen kann“, erläutert er. Das Training, das er gestaltet, ist vielseitig. Leichtathletik steht natürlich auf dem Programm, aber auch Basketball als Mannschaftssport. Lyncee selbst hat in seiner Jugend viel Sport getrieben, Fußball auf Amateurni- veau gespielt, sich in Volleyball und Basketball ausprobiert, Weitsprung und Dreisprung in der Leichtathletik trainiert. „Als Trainer habe ich dann Sportler an das Profiniveau herangeführt, im Fußball unter anderem, aber auch im Volleyball“, erzählt er. Über ein Fußballteam mit Spielern mit Beeinträchtigungen ist er dann mit dieser besonderen Art von Sport in Berührung gekommen. Jetzt macht dies seinen kompletten Arbeitsalltag aus. Lyncee wirkt glücklich und zufrieden dabei.

„Es ist eine Bereicherung. Ich arbeite sehr individuell mit den einzelnen Athleten. Man muss behut- sam mit ihnen umgehen. Man kann sie stimulieren. Aber man darf nicht zu viel von ihnen verlangen. Wenn man zu viel Druck ausübt, bringt das gar nichts. Die Kinder und Jugendlichen sind sehr sensi- bel. Sie reagieren vor allem über Vertrauen. Dann öffnen sie sich und akzeptieren Vorschläge.“

„Bei Rony zum Beispiel sind es kaum merkbare Reaktionen, wenn ihm etwas nicht gefällt oder er sich verschließt. Mittlerweile kann ich das aber sehr gut erkennen“, sagt er.

Rony gefällt am Training vor allem das Techniktraining, die Arbeit an der Geschwindigkeit, berich- tet er selbst. Trainer Lyncee legt dabei vor allem Augenmerk auf die Dosierung von Ronys Kräften, um gut über die 100 Meter zu kommen und im rechten Moment noch beschleunigen zu können. In Berlin möchte er all das nur zu gern zeigen.

Für das IME ist die Teilnahme von Rony, einem weiteren Sportler und drei Sportlerinnen, eine auf- regende Premiere. „Es ist das erste Mal, dass wir an den Special Olympics teilnehmen. Sport spielt eine wichtige Rolle in unserer Arbeit, wie auch Tanz und Musik, weil das die motorischen, kogniti-

ven und koordinativen Fähigkeiten stärkt. Dass wir als ganz kleine Insel jetzt zu den Weltspielen von Special Olympics nach Berlin fahren können, macht uns sehr glücklich. Es ist eine großartige Gelegenheit, uns zu präsentieren, aber auch für unsere Sportler und Sportlerinnen, sehr besondere Erfahrungen zu machen. Die ganze Welt wird da sein, und wir auch“, äußert sich Direktorin Pelage begeistert.

Rony ist die Dimension dessen, was auf ihn wartet, noch nicht so recht bewusst. „Ich freue mich da- rauf“, sagt er zwar. Was es genau bedeutet, an solche einem Ereignis teilzuhaben, wird sich ihm vermutlich erst eröffnen, wenn er in Berlin ist und die ersten Rennen läuft. Für die Zeit danach hat er schon konkrete Pläne. „Nach der Schule hier möchte ich gern in einem Hotel arbeiten“, sagt er. Ob auf der kleinen Insel Marie-Galante oder der großen Guadeloupe oder auch ganz woanders, ist ihm egal. Hauptsache, etwas machen, eine Aufgabe haben, aufgehoben sein in einem Umfeld, das ihm gut tut.

Author: Tom Mustroph

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