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Inklusion

Bei den Straßenrennen der Special Olympics World Games hoffen alle Beteiligte auf eine Langzeitwirkung der Rennen durch die Mitte Berlins

Radsport vor dem Brandenburger Tor

Katalysator für die Inklusion?

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Radsport vor dem Brandenburger Tor
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Radsport vor dem Brandenburger Tor

Berlin, 22.06.2023

Professionell zählt der Starter beim Zeitfahren die letzten fünf Sekunden herunter. Die fünf ausgestreckten Finger der Hand bedeuten noch fünf Sekunden. Jeden Finger, den er mehr einzieht, bedeutet, dass der Start um eine Sekunde näher rückt. Ist der letzte Finger abgeknickt, geht es los - unter dem Beifall der Zuschauer*innen, Betreuer*innen und der vielen Volunteers, die sich im Start- und Zielbereich aufhalten. Stimmung kommt auf wie bei den großen Rennen des Straßenradsports. 36 Jahre ist es mittlerweile her, dass die Tour de France in Berlin war. Viele von den Sportler*innen, die in diesem Jahr bei den Special Olympics World Games an den Radrennen in insgesamt 13 Disziplinen teilnehmen, waren da noch nicht einmal geboren. Elena Bergen, von manchen liebevoll „Rennfloh“ genannt wegen ihrer Körpergröße von 1,40 Meter, war da immerhin schon zwei Jahre alt. Trotz der Routine, die sie mittlerweile erreicht hat, ist sie aufgeregt. „Ich bin am Anfang nicht richtig in die Klickpedale reingekommen“, berichtet sie später. Das kostete wertvolle Zeit. „Das ist nicht so gut gelaufen. Und ich ärgere mich auch deswegen“, sagt sie. „Auf der anderen Seite bin ich aber einfach glücklich, dass ich hier sein kann. Denn es ist schon ein Hammer-Erlebnis, mit all den Zuschauern hier, all der Stimmung“, sagt sie. Und dann fliegt am Rande der Rennstrecke auf der Straße des 17. Juni mitten in Berlin doch wieder ein Lächeln über ihr Gesicht.


13 Rennen in den unterschiedlichen Kategorien werden hier ausgetragen. Die Bandbreite reicht von 500 Meter bis 10 Kilometer Zeitfahren und von fünf bis 25 Kilometer beim Straßenrennen, jeweils für Männer und Frauen. 187 Fahrer*innen sind am Start, ihre 187 Räder sind in einem großen weißen und streng bewachten Zelt auf der Straße des 17. Juni untergebracht. Mountainbikes mit sehr breiten Reifen befinden sich darunter, schmalere City-Bikes, aber auch viele schnittige Rennräder. Manche sind Spezialanfertigungen wie für Heike Naujoks. „Wir wollten eigentlich ein gebrauchtes Rad kaufen. Aber dann hat der Hersteller Giant für mich extra ein Rad angefertigt“, erzählt die Sportlerin, die bei den Weltspielen auf genau diesem Rennrad bereits eine Silbermedaille im 15 Kilometer Straßenrennen geholt hat. Andere sind Raritäten, wie das Rad für Bergen. Nur drei Räder in ihrer Größe gab es in ganz Deutschland, als sie auf der Suche nach einem Rennrad war, sagt Bundestrainer Martin Weber, der Bergen auch im Heimklub TSV Mosbach betreut. Da musste man schnell zuschlagen.


Für Sportlerinnen, deren Koordination so weit eingeschränkt ist, dass die Balance auf dem Rad gefährdet ist, gibt es noch ganz besondere Gefährte: Spezielle Dreiräder werden für sie hergestellt. Und so stehen sie dann auch bei den Rennen da, die jeweils acht Teilnehmer*innen bestreiten: Rennrad hinter Rennrad oder Dreirad hinter Dreirad bei den Zeitfahren, Rad neben Rad in einer Linie hingegen beim Start für die Straßenrennen.


Zu einem Star der Radsportwettbewerbe hat sich mittlerweile der 17jährige Schüler Leon Colberg aus Strausberg bei Berlin herauskristallisiert. Er gewann Gold im Fünf-Kilometer-Straßenrennen und holte wenig später ebenfalls Gold im zwei Kilometer Zeitfahren. Streckenvorteile hatte er nicht. „Von Strausberg bis nach Berlin-Mitte ist es doch zu weit. Ich habe die Strecke erst jetzt während der Spiele kennengelernt“, versichert er.


Taktisch clever ist er aber gefahren. „Erst habe ich schön Windschatten gelutscht, wie man so sagt im Radsport, und bin dann in der Kurve vorbei gesprintet“, erzählt er fröhlich den Hergang im Straßenrennen. Cleverness hat er auch schon in den Klassifizierungswettbewerben bewiesen. Nach diesen Vorwettbewerben werden die Sportler*innen in Leistungsgruppen zusammengebracht, damit möglichst gleich starke Athlet*innen gegeneinander kämpfen können. „Bei der Qualifizierung für die Straßenrennen sollte man vielleicht nicht Vollgas geben, um die anderen denken zu lassen, dass sie vielleicht gewinnen werden. Beim Zeitfahren hingegen muss man Vollgas bereits in der Qualifikation“, erläutert Colberg gegenüber der Redaktion der Weltspiele seine Strategie. Denn wenn man mit all dem Wettkampf-Adrenalin wesentlich schneller als in der Qualifikation fährt, droht der Ausschluss. 


Colberg geht in Strausberg in eine Schule mit Schüler*innen ohne Beeinträchtigung. Darauf ist er stolz. Und sein nächstes großes Ziel ist es, dort das Abitur zu machen. Einfach ist es aber auch nicht für ihn. Und so hofft Colberg, ja hoffen alle Betreuer*innen, Trainer*innen und Eltern hier bei den Weltspielen, dass der Schwung dieser Tage im ganzen Land die Inklusion befördert, in Schulen, in Unternehmen, in der Öffentlichkeit allgemein und auch im Sport. Bundestrainer Weber wünscht sich mehr inklusive Sportvereine wie es sein TSV Mosbach einer ist oder der Inklusive Sportverein Norderstedt oder auch der 1. RSC Strausberg, bei dem Leon Colberg trainiert. Der Verein hat Sportler ausgebildet, die inzwischen als Radprofis ihr Geld verdienen wie der Juniorenweltmeister auf der Bahn und aktuelle Tudor-Profi Hannes Wilksch – und er hat eben auch Platz für Leon Colberg.


Dass solche Vereine mehr werden, dass es auch mehr Rennen für Sportler*innen mit Beeinträchtigungen gibt, das wünschen sich alle bei diesen Spielen in Berlin. „Es wäre einfach schön, wenn sich das etablieren würde, dass unsere Sportler*innen im Rahmen anderer Rennen teilnehmen könnten. Denn es ist für uns sehr teuer und auch sehr schwer, überhaupt Straßen für Rennen absperren zu lassen. Aber es gibt in Deutschland ja viele Rennen im Amateurbereich, die all das schon machen und die vielleicht auch Rennen für Special Olympics in ihr Programm nehmen könnten“, überlegt Oliver Zöbisch, Bundestrainer hier in Berlin und Heimtrainer beim Inklusiven Sportverein Norderstedt. 


Die Weltspiele als Katalysator, das ist der Wunsch von allen hier. Natürlich auch der von Elena Bergen, dem „Rennfloh“ aus Baden-Württemberg, der jeden Tag auch zur Arbeit mit dem Rad fährt – „Hügel rauf, Hügel runter“ – wie sie sagt. Und die in Berlin am Ende des Tages schließlich mit ihrem sportlichen Ergebnis versöhnt ist. Denn trotz Pedalpech hat es nach Ausertung aller Zeiten doch noch zu einem dritten Rang im Zeitfahren gereicht.


Text: Tom Mustroph

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